Samstag, 13. März 2010

hässliche zähne

hier mal wieder ein beispiel für das übel, das uns in den weiten des internetz immer wieder befällt. (nein, nicht zahnfäule, sondern grausame werbung.)

grauenhaftes, sinnloses deutsch, und ebenso eklige gestauchte bilder mit kompressionsartefakten. nee, so nicht, leude.

ps: gerade kam mir diese variante unter. diesmal nicht jpg-kompression, sondern anscheinend gif:

Dienstag, 26. Januar 2010

Neues Fehlfarben-Album!

Wie ich gerade über den Cartoonist-Blog erfahren habe, werden die deutschen New Wave-Heroen Fehlfarben am 11. Februar ein neues Album herausbringen: Glücksmaschinen

Zwar fand ich die Alben der letzten Jahre eher mittelmäßig, aber die auf Atatak verfügbaren Previews hören sich sehr gut an -- frisch, ungehobelt, wütend, tanzbar... Was sicher daran liegt, dass das Ding nicht überproduziert und weichgespült wurde. Genauso wie auf dem Konzert -- ich habe die Fehlfarben im November 2008 live in der Kulturbrauerei Berlin gesehen, und das war ein wirklich beeindruckendes Konzert -- ein geniales Zusammenspiel von Elektronik und Gitarren, und ein sehr dynamischer Peter Hein... Einfach herrlich.

Wie üblich werden die Fehlfarben nach Release auch auf Deutschlandtour gehen, die Termine findet ihr auf MySpace.

Synchronizität der Ereignisse: Ebenfalls am 11. Februar werde ich an einem bahamesischen Strand den Bund der Ehe eingehen... Was meinen lustigen Vater zu der Bemerkung veranlasste: "Ich versteh das nicht... Früher wolltest du unter Brücken schlafen, und heute machst du einen auf Jet Set."

Samstag, 23. Januar 2010

PVC -- letztes Konzert?

Möglicherweise findet kommenden Freitag (29.01.2010) im White Trash Berlin das letzte PVC-Konzert aller Zeiten statt -- der 1977 gegründeten, ersten Punkband Berlins! Wenn das so wäre, dann wäre das das Ende einer Ära. Solltet ihr es also irgendwie einrichten können, auf nach Berlin!

Drum hab ick gleich mal einen schönen PVC-Track von vor fast exakt 31 Jahren in den neuen Blog gestellt, und dazu auch nochmal einen Roman über die wechselhafte PVC-Bandgeschichte geschrieben. Schaut rein.

Spiel mit mir

Gerne!

Aber, äh, worum geht's eigentlich in diesen MMORPGs? Wenn sich meine Kollegen im Büro über World of Warcraft unterhalten, hört sich das irgendwie nicht so an wie die Werbung.

"Dicke Titten, Herz aus Gold"

Neuer Blog!

Restless wie ich bin habe ich einen neuen Blog eröffnet:

mutanten melodien

Dort stelle ich hauptsächlich einzelne Songs vor, die man sich per Flash-Plugin auch online anhören kann, ohne seine Festplatte voller Müll runterzuladen zu müssen (äh). Irgendwie hab ich das auf Blogspot nicht hingekriegt.

Freitag, 22. Januar 2010

Dirt Shit: Rattenloch (7" EP, 1979)

Und wo wir schon einmal in Österreich sind, das ja nicht gerade für Punk Rock berühmt ist, gibt's gleich noch einmal eine sehr hübsche EP aus dem Jahre 1979 von einer Band mit dem schönen Namen Dirt Shit.

Dirt Shit wurde 1978 in Wien gegründet. Das Line-Up bestand aus Ronald Iraschek alias Ronnie Urini am Schlagzeug, Bernard Tragut alias Berni Bedenklich am Bass, Roli Rostig an der Gitarre und Michi Monoton am Mikro.  Diese EP ist, soweit ich weiß, ihr ganzes Vermächtnis -- die Band löste sich bald darauf auf.

Interessant dagegen, wie die Band überhaupt zu dieser Single kam. Sie sollte ursprünglich beim Film "Exit" Musik beisteuern, und Urini erhielt gar eine kleine Rolle -- flog aber bald wieder raus, weil er sich mit anderen Darstellern anlegte. Als auch die Aufnahmen wurden von der Produktionsfirma als zu hart bemängelt wurde, verklagten Dirt Shit den Filmemacher Franz Novotny auf Schadenersatz: eine Million Schilling. Im Endeffekt zahle Novotny der Band 10.000 Schilling, womit die Single finanziert war. Schlitzohren, diese Wiener! Apropos, im westdeutschen Fernsehen lief der Film unter dem stumpf-doofen Titel  "Zwei Schlitzohren hauen auf den Putz" lief.

Ronnie Urini war in der Wiener Szene auch sonst sehr umtriebig, u.a. spielte er mit Roli bei Kleenex Aktiv und mit Berni bei der noch heute aktiven Rucki Zucki Palmencombo; Roli war auch noch bei der Mordbuben AG -- angeblich der ersten Band von Bobby Sommer, der 1979 in Berlin bei Tempo und anderen Bands aktiv war und später NDW-Bands wie Ideal oder Extrabreit managte .

Gesungen wird übrigens auf Österreichisch (bei dem ich als Piefke kaum ein Wort verstehe) oder auf Englisch.

Tracklist:

  1. Discoscheißer (1:42) -- Feinster KBD-Punk mit wütenden Lyrics und Micky-Maus-Outro.
  2. Exit (1:38) -- Einziger englischer Song.
  3. Der letzte Dreck von Wien (2:14) -- "Jumpin' Jack Flash"-Coverversion, wäre fast auf shit-fi.com's äußerst empfehlenswerte Worst Cover Songs Ever-Liste gekommen.
  4. Großstadtreggae (7:00) -- Genau das, was der Titel sagt. Schräge Overdubs!

Download (192 kbit/s)

Einen interessanten Artikel über die frühe österreicher Punkszene findet ihr bei evolver.at.

Dirt Shit is an early Austrian punk band from Vienna, and this is their one and only release, a great EP featuring dirty, angry punk rock with Austrian and English lyrics, a Jumpin' Jack Flash cover version, and a 7 minute pseudo-reggae jam. Dirt Shit disbanded in 1980 (or earlier). The members were also active in other early Austrian punk and new wave bands (Mordbuben AG, Kleenex Aktiv, and others). Bobby Sommer went to Berlin to become manager of well-known NDW bands like Ideal and Extrabreit.

Donnerstag, 21. Januar 2010

Novaks Kapelle: Hypodermic Needle / Doing That Rhythm Thing (1968)

Hier mal was completely differentes, und zwar eine österreichische Rock-Single aus den 1960ern! Yeeeeh.

Viel weiß ich über Novaks Kapelle nicht. Sie kamen aus Wien und wurden 1967/68 von Erwin Novak (heute als Künstler tätig) u.a. gegründet. In den späten 1960ern brachten sie zwei Singles heraus -- hübscher Blues Rock ist im Stile Jimi Hendrixens. Zu hören gibt's diese Single auf Museo Rosenbach. Vor allem der zweite Song geht fast schon in Richtung Garage Punk, zumindest das kurze Intro -- im ultra-braven besetzten (Ex-Groß-)Deutschland der 1960er eine Rarität.

In den 1970ern wurde es dann ruhiger um die Band. 1978 brachte Ariola das Album Naked heraus, auf dem zwei angeschickerte, dicke, alte und natürlich nackte Damen die Bürger schrecken sollten. Das Cover wurde deshalb zensiert und grellorange abgedeckt, mit dem Hinweis: "Das Cover dieser Platte könnte eventuell empfindsame Gemüter schockieren". Immer eine geschickte Marketingstrategie. Hier das Cover -- UNZENSIERT, du empfindsames Gemüt!!!

Zwar ist diese Platte in der punk-disco gelistet, aber ich denke, wirklich Punk is dat nich, wahrscheinlich eher pseudo-punkiger Blues Rock beschrieben. Kam ja in der Frühzeit des Punk öfter war, dass sich alternde Rocker eine punkige Note gaben, mit unterschiedlichen Ergebnissen. Während die Straßenjungs oder die Heidelberger Maniacs absolut lachhafte Punk-Parodien sind, die einfach auf den rollenden Punk-Zug aufspringen wollten, sind die beiden Platten der Münchner Pack (mit Jörg Evers von Amon Düül II) dagegen äußerst hörenswert -- Evers hatte anscheinend wirklich die Schnauze voll vom Gefrickel.

Wie auch immer, um 1980 löste sich Novaks Kapelle dann auf, die letzte EP trägt den hübschen Titel Brennmaterial für die 80er. Einige der 1960er Tracks sind -- zu recht -- auch auf der interessanten deutschen Garage/Psych-Samplerserie Prae-Kraut Pandemonium aka Electric Loosers vorhanden. Auf Erwin Novaks Seite kann man sich auch einige weitere Songs anhören, teils auch mit Video.

Novaks Kapelle was a Vienna outfit, formed in around 1967 by Erwin Novak. They released a pretty cool Hendrix-style blues rock single in 1968 that borders on garage punk. A little, anyway. In 1978, they were still active, and released an album with a lovely cover featuring two drunk, naked old women. Novaks Kapelle disbanded in 1980. Their later work is listed in punk discographies, but it's probably more or less still blues rock with a punky flavor -- something that often happened in Krautrock-dominated Germany during the early punk years.

Montag, 18. Januar 2010

Nikodemus-Fanzine

Vor einigen Tagen fand ich das neue Quartalsmagazin der Neuköllner Nikodemusgemeinde in meinem Briefkasten -- 24-seitiger, durchgehend 4-farbiger Hochglanzprospekt  (Da sag noch einer, die hätten kein Geld) mit einem extrem kryptischen Cover in 1990er Punkästhetik:

Was will uns dieses Cover sagen? Man beachte die hineingepasteten Orden. Ein treudoof hechelnder Schäferhund mit Orden -- okay, ein gängiges Bild für das treue Militär, aber... Respekt? Trotz mehrtätigen Meditierens keine Ahnung. Ich appelliere hiermit an meine Leser -- irgendwelche Interpretationen?

Der Inhalt des Kirchenblatts ist ähnlich verwirrend. Bizarr etwa die komischen Fotocollagen, hier drei gespaltene Persönlichkeiten mit je einer Axt im Kopp:

Und hier jede Menge Fenster, Augen, Babys, Alte, Jesus, verwackeltes Autobahnfoto und explodierende Lava:

Das muss alles irgendwas mit Respekt zu tun haben, Leute.

Auf dem doppelseitigen herausnehmbaren Poster "Nikodemus in Bildern" sieht man ratlos herumstehende junge und alte Menschen, eine makabre Wildschweinkopf-Jagdtrophäe mit aufgesetztem Nikolaushut (der Herr Pfarrer haben Humor) und mehrere komisch dreinblickende, wohl oft auch angetrunkene Frauen, von denen eine sich ein Engels-Lexikon vor einer Engels-Tapete durchliest.

Aber auch die Artikel haben Pepp! Und sind auch kritisch. So wird mir erläutert, dass Jesus historisch gar nicht belegt ist; dass Gerede über Respekt und Mitmenschlickeit richtig peinlich wird, wenn es "mit christlicher Soße übergossen wird". Sidos "Kein Respekt"-Heckscheibenaufkleber ist eine gute Sache; oh weh, Managergehälter und Billiglöhne; schließlich wird gar das gesamte System offen angegriffen: "Das Ziel einer 'sozialen Marktwirtschaft' ist ein Widerspruch in sich: Früher oder später wird die soziale Orientierung des Staates auf dem Altar der globalen Marktwirtschaft geopfert. Halleluja!"

Auch erfährt man in Das Leben muss rocken! Ein Plädoyer für die Respektlosigkeit, dass Beatles und Stones früher als "Krachmacher" galten, heute jedoch "beinahe als Klassiker", und dass Atomkraft in den 1980ern "noch als fortschrittlich und sauber angesehen" wurde (klar, siehe Wackersdorf), aber "heute, nach Tschernobyl, bestenfalls als Übergang." (klar, siehe FDP).

Leider endet die Autorin dann doch wieder in christlicher Soße: 

"Doch es gibt einen großen Unterschied zwischen einer kritischen Haltung und dem persönlichen Verletzen von Menschen. Wir sollten versuchen, das zu beachten. Das Beste ist, nie zu vergessen: keiner ist perfekt -- auch ich nicht."

Packend auch das Feature rund um Polizeihauptkommissar Karlheinz Gaertner. Seine schönste Zeit war "die bei einer kleinen Fahndungsgruppe der Direktion 5, Kreuzberg, gewesen", dagegen ist es ihm "noch heute unfassbar, während der Zeit der Hausbesetzungen sein Gesicht auf einem Plakat gesehen zu haben, das ihn wie einen zur Fahndung ausgeschriebenen Terroristen zeigte".

Ausgleich findet Herr Gaertner beim Schreiben, und zwar über z.B. über ärgerliche Alltäglichkeiten beim Streifengang durch den Kiez. Er muss sich ständig mit (arabischen) Kids auseinandersetzen, während er (arabische) Falschparker und (afghanische) Ampelsünder aufschreibt, er wird von (arabischen) Schülern herumgestoßen, 12- bis 13-Jährige (Araber) prahlen vor ihm mit ihrer Schwanzgröße und den Sexualpraktiken ihrer Schwestern. 16 Fahrradfahrer fahren ihn fast um -- diese aber, sensationellerweise, "jeweils ohne Migrationshintergrund".

Fazit: Extrem geiles Fanzine, welches die Grenzen von Kunst, Wissenschaft, Religion und Geschmack  transzendiert und Punk-Ästhetik mit pseudo-aufgeklärtem Dumpfbackenchristentum verbindet. Immer wieder erstaunlich, wozu einfache Menschen doch so fähig sind.

Wie man sich denken kann, ist die Nikodemus-Gemeinde so modern, dass dieses einzigartige subpropagandistische Werk für alle Welt verfügbar ist:

Spread the word!

Mittwoch, 13. Januar 2010

Perlen der Weisheit

Weisheit entsteht wie eine Perle. 

Ein kleines Stückchen Dreck gerät in empfindliches Gewebe.

Zum Schutz vor Schäden wird es Schicht um Schicht mit allmählich aushärtendem Schleim überzogenen.

Andere halten das Ergebnis für wertvoll.

Dienstag, 12. Januar 2010

Nacktscanner-Werbung

Bin grad über folgende Internetwerbung gestolpert ("freigegeben ab 18 Jahren", haha):

Aber komisch, ich hab draufgeklickt und sollte erstmal meine Handynummer eingeben...

"Nacktscanner" ist auf jeden Fall jetzt schon mein Kandidat für das Unwort des Jahres 2010 -- aber bis dahin hat man das Thema ja schon wieder vollständig vergessen!

Übrigens, wer einen Nacktscanner haben will, der sollte sich am besten beim EU-Parlament melden, die haben ein paar vorrätig und wollen sie los werden. Taugen wohl doch nix.

German news are going crazy about the "naked scanner" -- politicians are thinking about using it against terrorists on airports etc. I just found my first web ad where you can "snatch up the forbidden naked scanner".

David Hasselhoff: Stille Nacht (2004)

Kommt zwar etwas spät, aber ich hab es selbst gerade erst entdeckt. Aua!

Wusste gar nicht, das Herr Hasselhoff immer noch aktiv ist -- der Song stammt aus 2004. Wer das als CD will, auf Amazon gibt's Davids Weihnachts-CD mit Hörbeispielen. "Stille Nacht" ist leider (?) das einzige deutsche Lied.

Amazingly, or maybe not so amazingly, David Hasselhoof is pretty big in Germany. In 1989, he had an Uber-hit in re-unified Germany with "Looking for Freedom" -- Germans thought it was a freedom hymn, when in fact it's the story of a spoiled rich brat leaving home. Here's his rendition of the christmas hit.

Bärchen und die Milchbubis

Neben den wesentlich bekannteren Trio und Ideal sind Bärchen und die Milchbubis eine meiner Lieblingsbands unter den vielen, vielen interessanten Formationen zwischen Punk und NDW Anfang der 1980er.

Entstanden im Frühjahr 1980 aus der Schülerband TBC, nahmen die Milchbubis noch im selben Jahr ihre erste Single auf, mit dem schönen Titel Jung kaputt spart Altersheime, erschienen auf No Fun -- der Song wurde zu einem kleinen Hit in der Szene, lustigerweise vor allem in Bayern. (Bei diesem Song kann man Brotbeutel-Martin übrigens am Bass hören; er verließ kurze Zeit später die Band.)

Diese Single ist noch mehr oder weniger straighter Punk, nett, aber nicht wirklich weltbewegend, doch bereits 1981 erschien dann das Album Dann macht es Bumm, ebenfalls auf No Fun -- für mich das perfekte deutsche New Wave/Power Pop-Album, immer mit eine kräftigen Schuss Punk, die das ganze auch nach fast 30 Jahren immer noch frisch hält. Abwechslungsreiches, poppiges Songwriting trifft auf genial-banale Texte über Besäufnisse, und misslungene One Night Stands ("Fernet") und das Altern ("Ich will nix älter werden"), die auf eine einzigartig liebenswerte Weise von Bärchen vorgetragen. Daneben auch kleine Punk-Perlen wie "Pogo liebt dich" ("Wer hat mir den Verstand geklaut, er wurd mir einfach rausgeschraubt" -- herrlich).

1982 kam dann eine weitere Single heraus, Muskeln / Drama. Die A-Seite war bereits auf dem Album, die B-Seite ist neu, und ebenfalls wieder grandios. Die Single wurde zunächst vom österreichischen Schallter-Label veröffentlicht, danach erst von Ariola. Ein Jahr später erschien der Track "DNS" auf dem Zu Gast bei No Fun-Sampler, eine Coverversion der befreundeten 39 Clocks, gefällt mir sogar noch besser als das Original -- ebenfalls genial die Textzeile "I see Nixon on a bomber plane, drinking Cuba Libra"...

Leider war es das dann schon von den den Milchbubis. Zwar gab es Pläne für ein weiteres Album, doch 1983 löste sich die Band auf. Allerdings gab es 1987 von Beatown (Martin Fuchs) ein Trostpflaster, nämlich das großartige Schatzgräber-Tape mit unveröffentlichtem Material aus der gesamten Bandgeschichte. Beim Hören dieses Tapes merkt man, wie die Milchbubis in den letzten Jahren merklich gereift sind -- der Sound ist wesentlich ruhiger, getragener, ja psychedelisch mit einer Prise Gothic. Mir persönlich gefallen die späten Stücke außerordentlich, zu schade, dass die Milchbubis nie weitergemacht haben... Aber man soll ja aufhören, wenn's am schönsten ist. Trotzdem -- wie wär's mit einer Reunion?!

Bärchen ist heute übrigens mit dem Sänger von Der Moderne Man verheiratet -- Inzucht, Inzucht, nichts als Inzucht in dieser NDW-Szene.

Außerdem -- und das wird jedem, dem der Mund ob meiner Lobreden wässerig geworden ist, freuen -- gibt's haufenweise MP3s für umme und sogar legal (!) auf der offiziellen Bandseite runterzuladen (hier). Alles weitere Hörenswerte -- die erste Single, das Album und das Schatzgräber-Tape -- hat Pankrotz für euch.

Update, Update, Update! Auf Tape Attack habe ich ein weiteres Bärchen-Tape gefunden, genannt "Some Songs" -- NICHT das Schatzgräber-Tape (obwohl es einige Überschneidungen gibt)! Goil.


Mehr Infos über die Band gibt's auf Brotbeutel und auf ichwillspass.de.

V/A: SO 36 (1979)

Eines meiner Interessengebiete ist die frühe Geschichte des Punk in Berlin. Eigentlich logisch, wenn man bedenkt, dass ich in Berlin wohne und selbst Punk liebe, aber wirklich entfacht wurde diese Leidenschaft durch Weird Systems Berlin Punk Rock-Sampler, in dessen ausgezeichneter 100-seitiger "Punk Rock Bibel Berlin" ich entdeckte, dass mein Arbeitsplätzchen genau da ist, wo 1980/81 das legendäre KZ 36 bestand, ein selbstorganisierter autonomer Laden, in dem damals alles auftrat, was in Deutschland Rang und Namen hatte.

Das erste Tondokument der Berliner Punk-Szene stammt aus dem Jahre 1978, als das SO 36 am 11. und 12. August mit dem ersten überregionalen deutschen Punk-Festival eröffnet wurde -- auch "Mauergeburtstag" genannt, aus Anlass der Errichtung der Mauer am 13. August 1961. Zugegen waren nicht nur Berliner Bands wie PVC, The Ffurs, The Wall oder die Stuka Pilots, sondern auch Mittagspause / Charley's Girls, Male und S.Y.P.H. aus Düsseldorf. Allerdings zeigte sich bereits hier, wie unterschiedlich die Auffassungen des Begriffs "Punk" damals waren: Für die Berliner war Punk schneller, dreckiger Hard Rock; für die Düsseldorfer eher experimentell-avantgardistischer Post Punk. Diese Divergenz macht für mich die Faszination des frühen Punk in Deutschland aus; jeder hatte seine eigene Meinung, was Punk sei, und für kurze Zeit führte dies zu eine der interessantesten, kreativsten und abwechslungsreichsten Phasen deutscher Kulturgeschichte.

(Selbst innerhalb Berlins gab es zwei verschiedene Punk-Szenen: Neben der hier vertretenen eher bürgerlichen "Schöneberger" Punk-Szene gab es auch die Kreuzberger Anarcho-Punk-Szene, die Punk als Aufruf zur gesellschaftlichen Veränderung interpretierte. In einem späteren Post mehr darüber, versprochen!)

Für die Freunde großer Namen: Auch Iggy Pop und David Bowie waren bei diesem Ereignis zugegen -- von ihren Äußerungen her zu schließen, haben sie allerdings nicht besonders viel mitgekriegt.

Das Schöne an dieser Platte ist, dass man hier neben sehr frühe Aufnahmen der bekannteren Bands wie PVC oder Mittagspause -- noch vor den Markthallen-Festivals -- auch die einzigen erhaltenen Dokumente so unbekannter Berliner Heroen wie The Wall oder den Stuka Pilots zu hören gibt. Die Tonqualität ist natürlich dem Anlass und der Zeit entsprechend bescheiden, aber auf eine stimmungsvolle Art und Weise.

Seite A enthält die Berliner Bands, beginnend mit den Berliner Lokalmatadoren PVC. Im März 1977 gegründet, gilt PVC als die erste Berliner Punk-Band, auch wenn sie ihre Musik schon bald als "Wall City Rock" bezeichneten, da sie sich nicht auf die Punk-Schiene festlegen lassen wollten. Hier geben sie drei Songs zum Besten, die zeigen, was für eine Power PVC damals hatten -- vor allem "No Escape" ist ein echter KBD-Punk-Hammer! Die erste offizielle PVC-Veröffentlichung kam erst 1982 auf RCA und ist durchschnittlicher Hard Rock, da hatten aber mehrere Kernmitglieder die Band bereits verlassen und spielten bei White Russia. PVC ist mit Gründungsmitglied Gerrit Meijer übrigens heute immer noch aktiv!

Als nächstes folgen zwei mehr oder weniger dilettantische Aufnahmen von den Ffurs und The Wall. Die Ffurs hatten sich erst einige Tage zuvor gegründet, weshalb auch Gerrit Meijer an der Gitarre aushilft. Während die Ffurs zumindest lange genug überdauerten, um noch auf dem "Into the Future"-Festival zu spielen, lösten sich The Wall kurz danach auch wieder auf. Über diese Band ist ansonsten kaum etwas bekannt. Marius Del Mestre singt und zupft die Klampfe (später bei Tempo, heute bei den Scherben), Matthias "Matsch" Schmid spielt Bass (später bei Blixa Bargelds erster Band, den Fame Pushers), und Uli Kukulies von den Ffurs hilft am Schlagzeug aus. Die Inzucht unter den Schöneberger Bands ist legendär.

Auch die folgende Bands, die Stuka Pilots, ist heute völlig obskur. Selbst die Namen der Mitglieder sind nicht mehr in Erfahrung zu bringen. Anscheinend waren sie ebenfalls bereits 1977 gegründet und versuchten durch nazihaftes Gehabe zu provozieren. Wie auch immer, die beiden hier zu hörenden Songs gefallen mir, auch wenn sie sich sehr ähneln -- vor allem "Stuka Pilot" ist eine schöne, treibende Midtempo-Nummer mit lakonischem Gesang.

Auf der B-Seite sind die experimentelleren Düsseldorfer Bands zu hören, und die Publikumsreaktionen zeigen, dass die Berliner damit nicht viel anfangen konnten. Hinter dem Namen Dub-Liners stecken Mitglieder von Male mit Harry Rag -- die anderen S.Y.P.H.-Mitglieder hatten es wohl nicht rechtzeitig zum Konzert geschafft. Beide Songs sind kurze, improvisierte Covers.

Es folgen Mittagspause, wohl noch unter ihren Ur-Namen Charley's Girls, wenn meine Recherchen stimmen -- zumindest wurden sie als solche auf den Konzertplakaten angekündigt, und laut Chatterbox-Stammbaum erfolgte die Umbenennung erst Anfang 1979. Insofern wären dies die einzigen damals veröffentlichten Aufnahmen von Charley's Girls überhaupt, Leute! Wie auch immer, MiPau ist nicht wirklich mein Ding, aber für Punk-Archäologen ist dies sicher ein kleiner Schatz. (Heutzutage gibt's bei Bielmeiers Rondo-Blog noch viel mehr von Charley's Girls zu hören.)

Den Abschluss der Düsseldorfer Bands bilden Male mit einer frühen Version ihres Deutschpunk-Klassikers "Polizei", bevor die Berliner DIN A Testbild das Ganze mit einer hübschen 7-minütigen Dissonanz-Krach-Orgie abrundet.

Zu erwähnen ist natürlich auch die einzigartige Aufmachung dieser Platte, zumindest in der ersten Auflage 1979 (1980?): Die Platte ist verpackt zwischen zwei Stahlplatten, die aus dem SO 36 selbst stammen -- ob aus der Tanzfläche oder der Wand, ich erinnere mich nicht mehr. Von dieser Auflage wurden nur 50 (100?) Stück gefertigt, ich schätze mal, ein beliebtes Sammlerstück. Später erschien noch eine zweite Auflage mit konventionellerem Packaging und größerer Stückzahl.

Ich habe mir übrigens die punklerische Freiheit genommen, die Aufnahmen per Compander ein wenig aufzupeppen. Der Sound ist so ein wenig fetter geworden, mir gefällt's so besser, Puristen werden's hassen -- die können die unbearbeiteten Aufnahmen auf dem lustigen Down Underground-Blog runterladen. Außerdem habe ich nach bestem Wissen und Gewissen Band-Namen und Songtitel korrigiert -- die Angaben auf den meisten Webseiten sind falsch:

  • PVC: Wall City Rock
  • PVC: No Escape
  • PVC: Without You
  • The Ffurs: Wild Boys
  • The Wall: 1945
  • Stuka Pilots: Stuka Pilot
  • Stuka Pilots: L.O.L.A.
  • Dub-Liner: What Do I Get
  • Dub-Liner: Draht (I am the Fly)
  • Charley's Girls: Bendorf lügt
  • Charley's Girls: Marmor, Stein und Eisen bricht
  • Charley's Girls: Industrie total
  • Charley's Girls: 1978 Deutschland
  • Male: Polizei
  • DIN A Testbild: Roboter 

Heute ist das SO 36 ist übrigens vom Aussterben bedroht, da der Mietvertrag zum 31. März 2010 gekündigt wurde, aus den üblichen Gründen: Anwohner und Lärmbelästigung. Vielleicht hätten sich die bescheuerten Anwohner mal ein wenig erkundigen sollen, bevor sie sich direkt über einen Punk-Club einmieten. Aber so ist das mit den neu Hinzugezogenen: Man will ja unbedingt in einem hippen Bezirk wohnen, aber das, was den Bezirk wirklich hip macht, das will man nicht. Im Grunde will man's genau so wie in seinem schwäbischen Dörfle, nur dass man sagen kann, ich wohne in Kreuzberg. Gentrifizierung halt, zum Kotzen. Andererseits hat das SO 36 in seiner Geschichte schon oft schließen müssen und ist dann doch wieder auferstanden. Es wird auf jeden Fall noch eine Weile weiter gestritten werden -- mal sehen, wie's ausgeht.

This is the live comp from the opening of the legendary Berlin punk club SO 36, also called "Mauergeburtstag" (= wall birthday) as it was also the 17th  birthday of the Berlin Wall. Recorded on two nights on August 11 and 12, 1978, this is the earliest recordings of German punk -- the opening also was the first inter-regional German punk festival, featuring bands from Berlin and Düsseldorf. Some of the Berlin bands like The Wall and Stuka Pilots are completely obscure, and these are their only recordings; of the other bands, for example Charley's Girls, these are, to my knowledge, the first existing recordings (except archival stuff released much, much later). There are a few great songs to be found here, my favorite being PVC's No Escape, a must for any KBD fan, showing the energy and power of the early PVC.

Andrea & Norbert: Paradiso + Bonus (1987)

Eröffnen möchte ich diesen Blog mit feinstem Schlager-Trash, courtesy of Brotbeutel. Da diese Platte dort nicht mehr erhältlich ist und ich sie eh für Ostberlin beatet Besseres (ähnlich schaurig-schön: Marcello Martucci!) hochgeladen habe, kann ich auch gleich hier darauf hinweisen.



Noch nie von Andrea & Norbert gehört? Die beiden sind ein ganz normales deutsches Ehepaar aus dem Harz, CDU-nah und wertkonservativ, die eines Tages die Idee hatten, eine Platte zu machen mit Songs über das, was sie bewegt -- und es dann tatsächlich taten. 

Und diese Platte ist tatsächlich einzigartig. Die Musik ist mehr oder weniger Standard-Spät-80er-Synthpop, das Highlight sind die Texte. Andrea und Norbert singen zum Beispiel darüber, wie schön es ist, Kinder zu haben ("Wir lieben unsere Kinder"), oder wie schade, dass das Wochenende so kurz ist ("Nur für zwei Tage"). Daneben gibt es auch Perlen wie das karibisch angehauchte "Paradiso" oder die herzzerreißende Ballade "Alter Mann auf dem Highway". Und natürlich haufenweise kitschige Liebeslieder. Der Bonus-Song "Lieder der Berge" stammt übrigens vom Sampler "Harz aber herzlich" und entstand 1989 unter Mitwirkung der Kindergruppe des Harzclubs Hohegeiß. Herrlich.

Diese Platte zu hören, ist eine emotionale Achterbahnfahrt. Man ist hin- und hergerissen zwischen Schock ("oh Gott, das können die doch nicht machen"), Rührung ("ach wie schön, dass es sowas gibt"), Langeweile, und vielen anderen Gefühlsregungen -- und das ist es doch, was großartige Musik ausmacht! Diese ganze Platte ist einfach so typisch deutsch-bürgerlich, aber auf eine irgendwie nette und entwaffnende Art... Ein Meisterstück der Normalität.


Andrea und Norbert sind heute übrigens immer noch musikalisch aktiv, unter dem schönen Namen Lucky Lips kann man Andrea, Norbi, Sabrina und Claudia für Hochzeiten und andere Ereignisse anheuern.

I don't think this is interesting to non-Germans, but this is a pretty incredible synthpop/schlager album by a perfectly normal married couple, astonishing in its simplicity and honesty. If you want to know what German normality really sounds like, look no further.

Sonntag, 10. Januar 2010

Die Mission

Auf unregelmäßiger Basis von guter und/oder seltsamer Musik zu berichten.

Der Name dieses Blogs stammt übrigens von einer wunderbaren Single von Sternhagel, anzuhören hier und hier und runterzuladen hier.